Samstag, 10. Juli 2010

Badefreuden in Sudak

Endlich verlassen wir das überteuerte Hotel in Yalta und fahren rund 180 Kilometer durch das Inland der Insel nach Sudak, einem anderen Badeort weiter östlich. Ein richtiges Inselfeeling kommt auf Krim aber nicht so auf wie auf anderen Insel, weil sie wohl einfach zu gross ist um sie als Insel zu empfinden. Die Fläche entspricht der von Belgien, und kommt man über einen Berg, taucht schon wieder der nächste auf. Die Landschaft ist aber sehr abwechslungsreich und wunderschön, es gibt wilde Steppenlandschaft mit unzähligen Blumen die einen unvergleichlichen Duft verströmen, dann wieder das Gebirge oder auch die oft felsige Küste.
Heute ist es wieder sehr heiss, und wir sind froh, dass unterwegs ein Kaffee kommt, das den Reisenden einfache und schnelle Mahlzeiten bietet. So essen wir Cheburek, das sind eine Art Fasnachtsküchlein mit Käse gefüllt, auf jeden Fall spottbillig und sehr fettig!

Das letzte Stück der Fahrt geht wieder durch die Berge, und ist für eine klein eingezeichnete Strasse auf der Karte erstaunlich gut ausgebaut. Jedoch gelingt es uns nicht, zu unserer Unterkunft mit dem GPS zu finden, und wir müssen Alex anrufen, der uns dann im Zentrum holen kommt. Dieses mal wohnen wir für viel weniger Geld in einer Pension, die von einem Ehepaar aus Moskau im neuen Russenviertel erstellt worden war. Die beiden verbringen mit Ihren Kindern hier den Sommer und verdienen so ein schönes Stück Geld. Wir haben eine einfaches, geräumiges Zimmer und können in der Pension auch Essen. Es gibt einfach was auf dem Menüplan von Koch Konstantin steht, und heute ist das Schnitzel und Reis.
Wir gehen gleich nach unserer Ankunft zum Strand, der sehr schön in einer Bucht liegt. Leider beginnt es auch sogleich in Strömen zu regnen, so dass wir uns unterstellen müssen. Aber schon bald ist der Spuk vorbei und ich stürze mich mit Anja ins warme Meer. Es ist herrlich hier zu baden! Später kommt auch Sascha mit und quitscht vor Vergnügen wenn wieder eine Welle kommt und ihn hochhebt.


In der Nacht regnet es wie verrückt und ich frage mich schon, ob der Sandhang auf dem unser doch billig gebautes Haus steht, nicht weggespült wird. Doch zum Glück sind wir am nächsten Morgen noch heil und munter und gehen zum Strand. Die Strandmeile ist eigentlich nicht wahnsinnig gross, aber es gibt dennoch unzählige Stände und Restaurants, und wir gehen an einen Strand mit gedeckten Liegestühlen. Das ist wirklich eine super Vorkehrung, denn ständig regnets hier mal wieder, aber das tut keinem was zu leide, denn es ist warm und wir haben ja ein Dach über dem Kopf. Ganz genial sind die unzähligen Babuschkas, aber auch Männer, die uns das Essen gleich zum Mund bringen. Sie hausieren mit Samsa`s (gefüllte Teigtaschen), Strauben mit Honig überzogen, mit Erdnussbutter gefüllte Waffeln, ganz witzig die Männer mit geräucherten Fischen in verschiedenen Sorten, oder auch mit Muschelspiesschen oder frischen Crevetten. Wir futtern uns durch all die Köstlichkeiten, denn zum Baden im Meer ist es heute leider viel zu stürmisch, die Wellen sind so hoch dass sie die Leute gleich wegspülen, was viele Verrückte aber nicht davon abhält sich trotzdem in die Fluten zu Stürzen. Die Kinder sind begeistert am „Sändelen“ und die Welt ist ganz einfach in Ordnung.


Am Nachmittag entscheiden wir uns noch einen Ausflug zu machen. So können die müden Kinder im Auto schlafen und wir die umliegenden Dörfer erkunden. Ganz toll sind die kleinen Strassen, schlimmer ist die Hauptstrasse nach Koktebel, die wirklich sehr holperig ist, und über einen hohen Pass führt. Koktebel zählt als kultige Künstlermetropole, doch ich muss sagen, Sudak ist genau so cool. Konstantin kocht Fleischküchlein mit Kartoffeln, als Beilage gibt es immer Tomaten und Gurken, gekochtes Gemüse gibt’s nur im Winter. Doch das Essen ist gut und günstig und wir wären hier noch gerne etwas länger geblieben und hätten noch ein paar Tage im schwarzen Meer gebadet. Ich bin nicht badeferien-fan, aber mit all den Einrichtungen hier am Strand ist es wirklich angenehm und lässt sich viel besser aushalten als an der Hitze am Mittelmeer zum Beispiel.

Auf jeden Fall müssen wir nun unser Auto wieder nach Simferopol zurückbringen und mit dem Zug weiter nach Kiev fahren. Mehr dazu im nächsten Kapitel.

Sonntag, 4. Juli 2010

Yalta

Die Fahrt von Sevastopol nach Yalta gilt als eine der schönsten Strecken der Insel. Die Landschaft ist abwechslungsreich und führt durch die Berge ans Meer, um dann der Küste entlang durch eine Fels- und Klippenlandschaft zu führen. Die Hauptstrasse ist aber viel befahren und die kleinen hübschen Häuser die wir bis jetzt gesehen hatten, fehlen hier fast ganz. Die Grossregion Yalta besteht aus vielen Ortschaften, die sich einzig dem Tourismus verschrieben haben. Vom so berühmten Yalta bin ich allerdings sehr enttäuscht. Der weltberühmte Kurort präsentiert sich als Ansammlung von unzähligen Beton-Hochhaus-Ruinen und Ghetto-Vierteln, in denen sich Gammler und Alkoholiker tummeln – was wir bis jetzt auf unserer ganzen Reise durch die Ukraine noch nie gesehen hatten. Hier hätte ich das erste Mal ein ungutes Gefühl gehabt, wenn wir z.B. in einem dieser Viertel eine Reifenpanne gehabt hätten. Die Fahrerei ist auch recht mühsam, viel zu viele Autos auf viel zu wenig Strassen, die zudem ein einziges Wirrwarr an Einbahnen und Sackgassen sind.


Endlich gelingt es uns, unser Hotel zu finden, in dem wir eine Junior-Suite für 2 Nächte gebucht hatten, auf Anraten einer Agentur auf der Krim. Das Problem ist, dass einem kein Mensch in Yalta ein Appartement für nur 2 Nächte mitten in der Hochsaison vermietet, man muss für einen Kurzaufenthalt ins Hotel, und Hotels in der Ukraine sind nicht die beste Wahl. Unser Hotel sieht zwar sehr toll aus, das Zimmer ist geräumig und luxuriös eingerichtet, aber die ganze Anlage ist völlig leblos. Kaum Gäste, kein Restaurant, die Tische im schönen Blumengarten gähnen leer vor sich hin. Am meisten nervt mich aber, dass das so gross angepriesene Internet nicht funktioniert, für das sie uns überredet hatten, das teurere Zimmer zu nehmen. 2 Stunden lang übten wir mit zwei Informatikern vor Ort den Laptop ans Netz zu nehmen. Schliesslich gelang es, doch die Verbindung war während dem ganzen Aufenthalt so langsam, dass sie in der Praxis nicht zu gebrauchen war.

Ein Lichtblick war ein Restaurant welches wir aus einem Reiseführer hatten. Eine Mischung aus Kantine und Schnellimbiss mitten in der Fussgängerzone ist Publikumsmagnet, und man kann aus 100 Sachen auswählen, die einem bereits angerichtet präsentiert und dann noch kurz gewärmt werden. Dreimal billiger und mindestens zweimal besser als in einem anderen Restaurant war hier das Essen für uns.

Im Reiseführer stand weiter, man soll sich von den grässlichen Hochhäusern nicht täuschen lassen, ein Aufenthalt in Yalta lohne sich alleweil, sobald man dem Quai entlang spaziere, habe man sicher seinen Spass. Das mag für Leute zutreffen, welche aus weniger schönen Regionen als wir stammen, aber wir verwöhnten Schweizer mit eigenem See und Promenade können der in Yalta nicht viel abgewinnen. Leblos wie das Hotel, steril und mit ein paar teuren Boutiquen, kann man sich nur vage den Glanz vorstellen, den der Kurort zu Zarenzeiten einmal ausstrahlte und zu dem er mit Mühe zurückzukehren versucht. Ein paar mühselig für die Kids hingestellte Schaubuden mögen uns auch nicht vom Sockel zu hauen.

Auch vom Besuch im Botanischen Garten bei Nikita kann ich nichts anderes berichten. Solche Sachen gibt es bei uns genauso schön, man braucht nur ins Tessin oder zur Insel Mainau zu fahren. Da war der Abstecher zum Vorontky Palast, den wir auf der Fahrt nach Yalta noch machten, schon etwas interessanter. Der Palast weist einige orientalische Architekturkünste auf, die natürlich Scharen von Touristen anziehen. Der umgebende Park mit Aussicht aufs Meer ist wirklich hübsch.




Fast hätte ich noch das wichtigste vergessen! Unterwegs nach Yalta kommt man natürlich auch an der Hauptsehenswürdigkeit der Krim vorbei – dem Schwalbennest! Wisst ihr, was das ist? Wenn Ihr das Bild seht, ganz sicher. Das ist ein kleines Schlösschen, das ein deutscher Adliger vor vielen Jahren auf einen steilen Felsen bauen liess, der steil ins Meer hinabragt. Unser Kinder machten sich leider daraus nichts und wollten nicht mehr laufen, sie waren schon müde vom Palast in Alupka. Dank GPS schafften wir es, eine Strasse zu finden, die direkt vor das Schlösschen führte! Wir mussten eine kleine Parkplatz – und Eintrittsgebühr bezahlen und voila – da standen wir bereits und staunten! Das Schlösschen ist in natura viel kleiner als man es sich vorstellt und beherbergt ein italienische Restaurant.

Ja, das ist es denn auch was ich von unserem Yalta-Besuch zu berichten habe. Leider nichts atemberaubendes, aber ich muss vielleicht noch anmerken, dass ich auch von Orten wie St. Moritz oder Davos nicht viel halte, und nun stelle man sich so einen Ort noch mit lauter hässlichen halbfertigen oder verfallenen Häusern vor, da habe ich wirklich Mühe mir vorzustellen, wem das gefallen kann… Dazu noch völlig überteuerte Zimmerpreise, ständig ein Verkehrschaos, 2 Millionen Besucher nur im Sommer… Gibt leider von mir keine Empfehlung!


Montag, 28. Juni 2010

Bakhisarai & Sevastopol - Insel Krim

Wir verlassen Yevpatoria in südöstlicher Richtung. Dank dem Navi fahren wir kreuz und quer durch’s Landesinnere, durch herrliche Steppenlandschaft mit Mohnblumen- und Lavendelfelder, hübsche kleine Bauerndörfer mit Hühnern, Truthähnen, einzelnen Kühen und kaum einer Infrastruktur, und kommen vor lauter Fotostopps kaum vorwärts.


Nach dem Mittag erreichen wir aber doch noch unser Zwischenziel, die Stadt Bakhisaray mit dem berühmten Khanspalast. Das ist das geniale hier auf der Krim, waren wir gerade noch inmitten orthodoxer Russen, finden wir uns ein paar Kilometer weiter plötzlich in einer orientalisch-islamischen Kultur wieder. Überall Türmchen mit Gipfelchen, und vor allem super feine Tartarische Küche. In einem Tartarischen Restaurant mit Wasserfall probieren wir die Hälfte der Spezialität auf der Karte aus: Plov, ein Reis mit Fleisch und Karotten, grosse Ravioli, dreieckige Ravioli mit Haselnüssen, Fladenbrot, Brot mit Fleischfüllung. Das ganze kostet einen Bruchteil dessen was wir sonst für ein Mittagessen ausgeben (normal ca. 190 UAH ~ 25 CHF, hier 90 UAH ~10 Franken!). Sascha verschläft das Essen mal wieder, er hat sich seit neuestem angewöhnt, immer vor dem Mittagessen einzuschlafen, was nicht unbedingt so praktisch ist weil er regelmässig eine Mahlzeit verpasst, bzw. sich statt dessen mit Krackers vollstopft…

Anja wandert tapfer mit den Berg hinauf zum erstaunlich grossen Palast mit seinem wunderbaren Innenhof. Wir besuchen all die verschiedenen Räume, auch ein Harem und ein Museum, das unsere Tochter unbedingt genau anschauen will (genauer als es mich interessiert hätte…!). Es gibt Räume mit einem Brunnen in der Mitte wo der Khan uns sein Gefolge rundherum gesessen hat. Es gibt auch eine Moschee und einen Aussichtsturm, von dem das Harem überwacht wurde. Und es gibt jede Menge Touristen. Der Khanspalast ist eine der Hauptsehenswürdigkeiten der Insel und auch wirklich einen Ausflug wert. Er ist in ein tolle Felslandschaft eingebettet und es hätte uns auch gefallen, hier in dem Ort zu übernachten, wie wir das ursprünglich einmal vorgehabt hatten.





Doch wir hatten die Pläne geändert und fuhren noch am gleichen Nachmittag weiter ins 50 Kilometer entfernte Sevastopol. Die bis 1997 für Aussenstehende verbotene Stadt ist Stützpunkt der Russischen Schwarzmeerflotte. Hier befinden sich die U-Boote und Kriegsschiffe der Russen und haben noch bis 2097 das Recht den Hafen zu Nutzen.
Unser treues Navi führt uns direkt vor das Haus in dem wir eine Wohnung gemietet hatten. Chris Campling, der Eigentümer, war erstaunt wie gut unsere Karte ist. Und ich war erstaunt wie schön das Appartement ist. Trotz knallblauer Wände und violetter Küche ist es sehr angenehm zu bewohnen und vom Balkon haben wir Aussicht auf’s Meer.

Sevastopol ist eine weit verzweigte Stadt, die sich über mehrere Buchten hin ausdehnt. Die schönsten Häuser und das Zentrum befinden sich gleich in unserer Nähe und am Abend machen wir einen Spaziergang der Uferpromenade entlang. Hier gibt es wieder wunderbare Häuser und viele Stände an denen man Muscheln und T-Shirts und Matrosenhüte kaufen kann.
Am nächsten Tag sehen wir die Kriegsschiffe etwas weiter hinten in der Bucht, spazieren durch einen schönen Park und besuchen auch noch das Aquarium mit Fischen aus der ganzen Welt. Den Rest des Tages verbringen wir mit ein wenig Siesta und Reisebericht schreiben auf unserem schönen Balkon.

Yevpatoria - Insel Krim

Das Autofahren geht erstaunlich gut, vor allem aber auch dank unserem super Navigationssystem das uns wie Einheimische herumkurven lässt. Problemlos gelangen wir zu unserem Hotel in Yevpatoria, einem berühmten Kurort im Westen der Insel Krim. Hierher kommen jedes Jahr Millionen von Touristen, vor allem für Kinder ist es beliebt da es viele Ferienheime und Sanatorien für sie gibt. Die Strandaktivitäten sind verrückter als in Venice Beach in den USA. Einfach nur total ausgeflippt ist hier alles, es gibt nichts was man nicht machen könnte.





Unser Hotel ist zum Glück ein wenig am Rand der Strandpromenade, sprich wir haben es auch ein bisschen ruhiger, obwohl wir direkt am Strand übernachten. Wir haben einen Privatstrand mit Liegestühlen und allem drum und dran, und unser Hotelzimmer ist super praktisch eingerichtet. Für die Kinder gibt es extra Schlafsessel zum Ausziehen, so haben sie wunderbare Bettchen mit Seitenlehnen. Von unserem Balkon sehen wir direkt zum nur 20 m entfernten Meer.





Kaum haben wir das Gepäck verstaut, eilen wir an den Strand. Im ersten Moment erscheint uns das Meer mit seinen sehr hohen Wellen kalt, doch mit der Zeit ist es gar nicht mehr so schlimm. 22 Grad ist die Wassertemperatur, und bald sind Anja, Sascha und ich eingetaucht ins herrliche Nass. Das Meer ist sehr stürmisch und man muss aufpassen, nicht den Boden unter den Füssen zu verlieren. Aber uns macht’s Spass, und am Abend gibt’s dann Nachtessen in der Piratenbar.
Am nächsten Morgen machen wir uns auf, die Altstadt von Yevpatoria zu besuchen. Hier gibt es ein jüdisches und ein karäisches Viertel mit wunderbaren kleinen hübschen Häuschen, die zum Teil von herrlichen Gärten umgeben sind. Wir haben grosses Glück und können in der grossen Kathedrale einem orthodoxen Gottesdienst beiwohnen, bevor wir etwas später nur wenig Meter nebenan die islamische Moschee besuchen. Alle wohnen friedlich beisammen. Ein Highlight sind sicher auch die karäischen Kenassen, ein traubenüberdachter Säulengang mit zwei Gebetshäusern. Dieser wurde kürzlich restauriert und ist wunderbar anzuschauen.












Wir finden uns in der Stadt wunderbar zu recht und mit dem Auto können wir auch mal nach Herzenslust einkaufen. Es gibt einen riesigen Supermarkt in dem wir uns mit allem nötigen versorgen. Das Nachtessen nehmen wir aber trotzdem im Restaurant, und die Kinder können sich an den Blinis (Pfannkuchen mi t Marmelade) kaum satt essen.

In der Nacht regnet es wieder einmal in Strömen, und da die Kanalisation nur bedingt vorhanden ist, läuft das Wasser einfach nicht ab. Vor unserem Hotel bildet sich bald ein See durch das die Autos und Busse fahren müssen. Unsere Kinder finden das natürlich lustig, und auch in der Stadt hat es riesige Wasserflächen.

Horrorritt nach Simferopol

Um 22 Uhr kam unser Fahrer. Der Zug fuhr um 23:49 aus Odessa ab, eine sehr unpraktische Zeit wenn man mit Kindern reisen muss. Zudem war das Wetter immer noch garstig, als wir in den Zug steigen mussten, stürmte und regnete es in Strömen. Sascha sitzt bei solchen Einsteigmanövern immer im Rucksack, Anja im Kinderwagen, und sie war mit dem Regenschutz des Wagens zugedeckt. Als sie aus dem Wagen stieg, flog dieser in sekundenschnelle fort – direkt unter den Zug! Und ich hatte mich so gefreut, dass wir dieses Mal endlich einen Regenschutz hatten, denn in China hatten wir den leider vergessen, was relativ schlecht ist wenn man stundenlang unterwegs ist…



Unser Zugbegleiter war ein wilder Tatar oder sowas in der Art, auf jeden Fall musste die Schaffnerin vom Wagen nebenan ihn wecken, ein Vodkaduft kam uns entgegen und ein böser Blick weil wir seine Ruhe gestört hatten. Doch schliesslich sah auch er dass wir da draussen im Sturm in echter Not waren und half uns rein. Der Wagen war so etwas von furchtbar, so einen hatten wir wirklich noch nicht gesehen. Wir hatten schon ältere Züge gehabt, aber der Zustand in dem sich der hier befand, war einfach nur katastrophal. Unser Fenster im Abteil war halb auseinandergefallen, die Gummidichtung hin herunter und das Endstück das den oberen Abschluss machen sollte, lag im Gepäckfach. Das Fenster im Gang war 30 cm oder mehr offen und konnte nicht mehr geschlossen werden – und wie gesagt, es stürmte und regnete wie verrückt. Wir brauchten erst mal eine Stunde, bis wir uns sturmsicher eingerichtet hatten, klemmten den Verdunkelungs-Ledervorhang unter unsere schwere Koffer die wir auf den Tisch hievten, obendrauf noch den Rucksack, die Kinder packten wir zwischen die Matratzen, rundherum hängten wir Leintücher, und schlussendlich kam gottseidank noch der Schaffner und brachte noch mehr Decken. Der Zug war voll. Es ist ein lokaler Zug mit einer dreistelligen Nummer, das sind manchmal ganz lustige Züge, aber hier in der Ukraine sieht das wohl ein wenig anders aus. Der Zug fuhr los, wie ein verrückter raste er über die Schienen und ich fragte mich wirklich, ob der uralte Wagen, der wohl kaum jemals gewartet wurde, das aushält. Irgendwann stieg ich vom oberen Bett runter zu Sascha ins Bett weil ich Angst hatte, dass es ihn herausschleuderte. Der Zug hielt an jedem einzelnen Bahnhof. Er fuhr mit Höchstgeschwindigkeit rein, um dann voll abzubremsen. Ich war langsam wirklich wütend und wollte am liebsten aussteigen. Doch als ich dann bei Sascha im unteren Bett lag, ging’s etwas besser als oben und wir fanden doch noch ein wenig Schlaf.
An gewissen Stationen hielt der Zug auch recht lange, und die meisten Leute rannten raus zum Rauchen. Drinnen wurde es dann wieder sehr heiss, denn zum Glück hatte sich das Wetter am nächsten Morgen gebessert. Um 11:55 hätten wir in der Hauptstadt der Krim ankommen sollen, doch wir hatten 15 Min. Verspätung. Und wie als Krönung des ganzen war dann auch mal wieder niemand da, der uns abholte, und wir mussten hin und her telefonieren. Schliesslich stellte sich heraus, dass die Dame von der Mietwagenfirma ganz alleine im Büro war und es einfach nicht schaffte, rechtzeitig am Bahnhof zu sein. Für die einstündige Wartezeit schenke sie uns dann die Miete für einen Kindersitz.
So waren wir also bald stolze Mieter eines neuen grossen Skoda Oktavia’s, wohl dem meistbenutzten Fahrzeug auf der Krim. Sascha sass in einem blauen Kindersitz, Anja in einem rosaroten, und unser von der Schweiz mitgebrachtes GPS navigierte uns wunderbar von der Vermietstation zu unserer ersten Adresse, dem Hotel Oasis in Yevpatoria.